Samstag, 6. September 2014

Ausschnitt aus einem meiner Bücher - "Mavericks"

Prolog

»Lauf! Lauf, Kleine!« ruft eine Frau. Sie schaut zu einem kleinen Mädchen, keine fünf Jahre alt. Ist sie sich bewusst, in welcher Gefahr sie schwebt? Weiß sie, dass es ihrer Mutter das Leben kosten wird?
»Mami!« Die hohe kindliche Stimme, geht der Frau durch Mark und Bein, doch sie weiß, dass es die richtige Entscheidung war, sich der Sache anzuschließen, für welchen Preis auch immer. Doch ein Preis wäre ihr zu hoch. Das Leben ihrer Tochter kann und wird sie nicht aufs Spiel setzen. Sie hatte es sich selbst geschworen, dass sie das hilflose Kind aus der Sache raus hält. Es ist ihr nicht gelungen, das weiß sie, aber die Kleine wird leben. Sie wird frei sein, zumindest so frei, wie es in dieser Stadt möglich ist.
»Lauf, Spätzchen. Schnell!«
Das Mädchen schaut sich erneut zu ihrer Mutter um. Ihrem Ein und Alles. Sie ist die letzte Person, die sie noch hat. Das hat sie schon früh begriffen. Ihre kleinen Beine, können sie kaum noch tragen, doch sie läuft weiter. Sie hat Angst, doch wenn ihre Mami sagt, dass sie laufen soll, dann muss sie auch laufen. Plötzlich wird sie zu Seite gerissen und gegen eine Wand gepresst.
»Psst.«, sagt ihre Mutter leise und hält sich mit dem Zeigefinger den Mund zu um dem Mädchen zu signalisieren, dass sie leise sein soll. Die Kleine spürt den Herzschlag ihrer Mutter, ihren warmen großen Körper. Sie liebt ihre Mutter und sie könnte es nicht ertragen, ohne sie zu leben.
»Du musst mir jetzt zuhören, ja meine Kleine?«
Sie nickt und schaut in die warmen, vertrauten Augen, die ihr entgegen leuchten.
»Du wirst dich dort drin verstecken.«, sagt die Frau und zeigt auf eine Luke am Ende der Gasse. »Dann wartest du bis dich ein Mann abholt. Er heißt Jared. Er wird dich nach deinem Zeichen fragen und dann zeigst du ihm den Vogel, den ich dir auf den Unterarm gemalt habe, okay?« Die Kleine nickt erneut, doch bevor die Frau weiter reden kann, wird sie unterbrochen.
»Und du, Mami?«, fragt sie mit ängstlicher Stimme. Der Frau zieht sich das Herz zusammen. Ihre Tochter ist unglaublich klug, sie weiß was passieren wird. Sie spürt es.
»Ich werde immer bei dir sein, Spätzchen. Ich werde immer in deinem Herz sein, mein kleiner Vogel und über dich wachen.«, sagt sie mit fester Stimme. Die Entscheidung hat sie nicht erst heute getroffen, die Entscheidung wurde schon vor Wochen getroffen. Es war ihr nicht leicht gefallen, doch sie wusste auch, dass es keine andere Möglichkeit gab, als das Mädchen zu verlassen. Nur so kann die Kleine in Sicherheit leben. Sie sieht die Tränen über Wangen des kleinen Mädchens kullern und ihre Überzeugung wird kurz ins Schwanken gebracht. Wie kann sie dieses arme, wehrlose Wesen nur sich selbst überlassen. Wie kann sie sie nur in dieser Welt aufwachsen lassen. In diesem Paradies. Sie schüttelt sich. Nein, sie wird nicht allein sein. Die Frau hat unglaublich viel in Bewegung gesetzt, damit sie niemals allein sein wird, damit sie immer geschützt werden wird. Sie wird es schaffen und vielleicht schließt sie sich eines Tages auch der Sache an und vielleicht wird sie miterleben, wie dem Paradies ein Ende bereitet wird. Aber um das zu erreichen muss die Frau jetzt gehen.
»Nicht weinen, Kleines. Alles wird gut, ich verspreche es dir. Du wirst sehen. Aber du darfst niemandem vertrauen, außer diesem Mann, der dich nach dem Zeichen fragt. Nur bei ihm bist du sicher, okay.« Die Kleine wischt sich die Tränen aus den Augen und nickt.
»Ich muss jetzt gehen.«. Die Frau erhebt sich, doch sie wird von dem Mädchen festgehalten. »Geh nicht!«, ruft die Kleine verzweifelt, doch im Inneren ist ihr klar, dass ihre Mutter gehen wird. Die Frau dreht sich zu ihr um und drückt sie ein letztes Mal fest an sich. Atmet ihren Duft ein. Und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor sie sie zum letzten Mal verlässt. »Denk daran Spätzchen. Sie dürfen dich nicht klein kriegen. Sie sind der Feind. Lass nicht zu, dass sie dich und dein Leben beherrschen. Solange du fliegen kannst, kleiner Vogel, bist du frei!« Es sind die letzten Worte die die Frau, dem kleinen Mädchen sagt, dann dreht sie sich um und geht. Das Gesicht des Mädchens ist überströmt von den Tränen, die sie ihrer Mutter widmet und trotzdem rafft sich die Kleine auf und versteckt sich hinter der Luke, im Dunkeln und wartet auf den Mann mit der Frage. Nur ihm wird sie vertrauen. Nur er kann sie, an der Stelle, ihrer Mutter beschützen.
Es bleibt lange Zeit dunkel und still, bevor sie die ersten Geräusche hört. Laute Geräusche. Sie hat sie noch nie gehört. Doch sie weiß es trotzdem aus den Erzählungen ihrer Mutter. Es sind Schüsse. Schüsse von Geräten, die man Pistolen nennt. Ihre Mutter hat auch eine. Normalerweise gibt es die heute nicht mehr, sagt man. Denn diese Welt besteht auch ohne diese Geräte. Geräte, die nur den Tod bringen und keinen anderen Nutzen haben. Sie wurden alle vernichtet, sagt man. Dann wird es still und plötzlich ertönt ein Knall, lauter und heftiger, als alles was das Mädchen je gehört hat. Wieder beginnt das Mädchen mit weinen, denn sie weiß, dass ihre Mutter nun weg ist. Für immer. Sie weiß, dass sie es getan hat, weil sie es tun musste. Weil sie meinte, dass es die Sache Wert wäre. Weil sie meinte, dass nur so wieder Frieden einkehrt. Obwohl der Frieden doch nie stärker war als jetzt, sagen sie!

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